Brief von Papst Franziskus

an Kardinal Kevin Farrell, Präfekt des Dikasteriums für die Laien,
die Familie und das Leben.

‚An meinen verehrten Bruder S. Em. Kevin Kardinal Farrell!
Mit Freude erhielt ich die Nachricht von der Veröffentlichung des Dokuments „Dare il meglio di sé“ („Sein Bestes geben“) zur christlichen Sicht auf den Sport und den Menschen, das vom Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben mit dem Ziel erarbeitet wurde, die kirchliche Rolle in der Welt des Sports zu beleuchten und darzulegen, inwiefern der Sport ein Werkzeug der Begegnung, der Bildung, der Sendung und Heiligung sein kann.

Der Sport ist ein Ort der Begegnung, an dem sich Menschen aller sozialen Schichten und aller Lebensumstände zusammenfinden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. In einer vom Individualismus und von der Kluft zwischen Jung und Alt geprägten Kultur bildet der Sport einen herausgehobenen Bereich, in dem Menschen einander ohne Unterschied der Ethnie, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung begegnen können und in dem erlebbar wird, welche Freude es bereitet, im Wettkampf ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen sowie Mitglied einer Mannschaft zu sein, die Siege teilt und Niederlagen bewältigt. Das hilft uns, uns von der Vorstellung zu verabschieden, wir könnten unsere Ziele nur durchsetzen, indem wir uns auf uns selbst konzentrieren. Der Anderen bedarf es nicht nur als Mannschaftskameraden, auch Funktionäre, Trainer, Fans und die Familie sind hier mit eingeschlossen; kurz gesagt, gemeint sind all jene, die es mit ihrem Einsatz und ihrer Hingabe möglich machen, dass man „sein Bestes gibt“. Dies alles macht den Sport zu einer Quelle von Gemeinschaftserfahrungen, die letztlich die gesamte Menschheitsfamilie umfassen. Wenn etwa Vater und Sohn miteinander spielen oder Kinder in einer Schule oder im Park, wenn Sportler ihren Sieg mit Anhängern feiern, so können wir dort überall den Wert des Sports als eines Ortes der Eintracht und der menschlichen Begegnung erkennen. Im Sport wie im Leben vermögen wir als gemeinschaftliches Team Großartiges zu vollbringen!

Der Sport ist auch ein Bildungsinstrument. Heute vielleicht mehr denn je, müssen wir unser Augenmerk auf die Jugend richten, denn je früher der Erziehungsprozess einsetzt, desto ungezwungener verläuft die ganzheitliche Entwicklung eines Menschen durch den Sport. Wir wissen, wie sehr die jüngere Generation auf Sportler schaut und sich für sie begeistert! Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Menschen jeden Alters und jedes Leistungsvermögens am Sport teilnehmen, denn wer zur Welt des Sports gehört, verkörpert Tugenden wie Hochherzigkeit, Demut, Opferbereitschaft, Beständigkeit und Freundlichkeit. In gleicher Weise soll damit ein Beitrag zur Förderung von Teamgeist, gegenseitigem Respekt, gesunder Konkurrenz und zur Solidarität mit anderen geleistet werden. Es ist für uns alle von größter Wichtigkeit, sich der Bedeutung sportlicher Vorbilder bewusst zu sein, denn ein guter Pflug auf fruchtbarem Boden begünstigt die Ernte, vorausgesetzt der Boden wurde gepflegt und die Arbeit ordentlich verrichtet.
Schließlich möchte ich die Rolle des Sports als eines Mittels zur Sendung und zur Heiligung hervorheben. Die Kirche ist dazu berufen, Zeichen Jesu Christi in der Welt zu sein – auch durch sportliche Aktivitäten in Klöstern, Pfarrgemeinden, Schulen und Vereinen. Jeder Anlass eignet sich also, die Botschaft Christi – „ob gelegen oder ungelegen“
(2. Tim 4,2) – zu verkünden. Daher ist es wichtig, die durch den Sport vermittelte Freude kundzutun und weiterzugeben, denn in ihr erschließen sich ja jene menschlichen Potenziale, die uns dazu anspornen, die Schönheit der Schöpfung und des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen unverhüllt sichtbar werden zu lassen. In Situationen und Lebensumständen, in denen es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist, ihn direkt zu verkünden, kann der Sport einen Weg zu Christus eröffnen; und Menschen, welche die aus dem gemeinschaftlichen Sporttreiben entspringende Freude glaubhaft bezeugen, können zu wahren Überbringern der Frohen Botschaft werden.

Im Sport sein Bestes zu geben bedeutet auch, der Berufung zur Heiligkeit zu folgen. Beim Jugendtreffen zur Vorbereitung der Bischofssynode, das kürzlich stattfand,
äußerte ich meine Überzeugung, dass alle jungen Menschen, die – persönlich oder über soziale Netzwerke vermittelt – daran teilnahmen, von dem Wunsch und der Hoffnung beseelt waren, ihr Bestes zu geben. Dieselbe Wendung benutzte ich auch in einem jüngst veröffentlichten Apostolischen Schreiben, in dem ich noch einmal in Erinnerung rief, dass der Herr jeden von uns auf eine einzigartige und ganz besondere Weise zur Heiligkeit beruft. „Worauf es an kommt, ist, dass jeder Gläubige seinen eigenen Weg erkennt und sein Bestes zum Vorschein bringt, das, was Gott so persönlich in ihn hineingelegt hat“ (Gaudete et exsultate, 11).

Wir müssen die enge Verbindung vertiefen, die zwischen Sport und Leben besteht.
Beide können sich gegenseitig erhellen, sodass das Bemühen, sich in einer sportlichen Disziplin selbst zu übertreffen, zugleich zum Ansporn werden kann, sich als Mensch in allen Lebensbereichen zu vervollkommnen. Dieses Streben weist uns den Weg, der uns mit Gottes gnädiger Hilfe zu jener Lebensfülle führen kann, die wir Heiligkeit nennen. Der Sport ist eine ungemein reiche Quelle von Werten und Tugenden, die uns zu bessere Menschen machen können. Wie alle trainierenden Athleten kann der Sport auch uns dazu bringen, unser Bestes zu geben, unsere Grenzen ohne Angst zu erkennen und uns täglich um unsere Vervollkommnung zu bemühen. „In dem Maß, in dem er sich heiligt, wird jeder Christ umso fruchtbarer für die Welt“ (ebd., 33). Für christliche Sportler heißt Heiligkeit demnach, den Sport als Möglichkeit zur Begegnung, zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Zeugenschaft und zur Verkündigung der Freude am Christsein inmitten anderer Menschen zu begreifen.

Ich bete zum Herrn, dass dieses Dokument durch die Fürsprache der Seligen Jungfrau sowohl im Rahmen der kirchlichen Sportpastoral als auch außerhalb der Kirche reiche Früchte hervorbringen möge. Alle Sporttreibenden und Seelsorger, die sich zum großen „Team“ des Herrn Jesus zählen, bitte ich, für mich zu beten. Ihnen gelten meine tiefempfundenen Segenswünsche.


Vatikan, am 1. Juni 2018, am Gedenktag des Heiligen Justin des Märtyrers